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Die Pioniere des Lichts (Teil 2)

Aktualisiert: vor 35 Minuten

 

Ein genialer Autodidakt und Praktiker

Die nächsten Erkenntnisse kamen von den Britischen Inseln. Hier war es dem Chemiker Sir Humphry Davy bereits Anfangs des 19. Jahrhunderts gelungen, mithilfe elektrolytischer Verfahren Stoffe in ihre Bestandteile zu zerlegen und so innerhalb von nur zwei Jahren ein halbes Dutzend neuer Elemente zu entdecken. Als noch bedeutsamer sollten sich jedoch die Arbeiten von Davys Laborgehilfen erweisen, einem jungen Mann namens Michael Faraday. Faraday war Autodidakt, anders als die meisten Wissenschaftler seiner Zeit stammte er aus einfachen Verhältnissen.


Bild des Physikers Faraday in dunklen Tönen - ein noch jugendlich wirkender Mann links unten ein elektrischer  Apparat
Michael Faraday, der große Autodidakt um 1840

Als gelernter Buchbinder bekam er Zugang zu naturwissenschaftlicher Literatur und schon bald besuchte er neugierig Davys öffentliche Vorlesungen. Als Davy auf ihn aufmerksam wurde und ihm 1812 eine Assistentenstelle anbot, ging für Faraday ein Traum in Erfüllung: Auf einmal standen ihm alle Gerätschaften zur Verfügung, mit denen er seinen unbändigen Wissensdurst befriedigen konnte. Inspiriert von Ørsteds Experiment, gelang Faraday 1821 eine bahnbrechende Entdeckung: Ein elektrischer Leiter ließ sich mithilfe eines Magneten in eine Rotationsbewegung versetzen. Das Zusammenspiel von Elektrizität und Magnetismus ermöglichte es, kinetische Energie zu erzeugen – Faraday hatte das Prinzip des Elektromotors erfunden. In den folgenden Jahren – inzwischen war er gegen den erbitterten Widerstand seines ehemaligen Mentors Davy in die Royal Society aufgenommen worden – beschäftigte sich Faraday mit der Frage, ob sich das Prinzip des Elektromotors nicht auch umkehren lässt. 1831 gelang es ihm schließlich, mittels eines Stabmagneten, der durch eine Drahtspule bewegt wurde, eine Spannung aufzubauen. Damit wurde Faraday auch zum Vater des ersten Generators, einer Maschine, mit der sich kinetische Energie in Strom verwandeln lässt.

 

Ein genialer Theoretiker

Seine letzte große Entdeckung machte Faraday 1845. Er hatte bemerkt, dass Lichtwellen, wenn sie der Wirkung eines starken Magneten ausgesetzt werden, beim Durchgang durch transparente Medien, wie Glas oder Wasser, eine leichte Änderung der Ausbreitungsrichtung aufweisen. Sollte am Ende auch das Licht zum Wirkungskreis elektromagnetischer Phänomene gehören? Die Antwort auf diese Frage gab der Schotte James Clerk Maxwell.


Eine schwarzweissfotographie eines jungen Mannes im Anzug auf einem Stuhl, der nach links blickt
Fand die Formeln: James Clerk Maxwell um 1850

Anders als der Praktiker Faraday, der zeitlebens nie eine Formel aufgeschrieben hatte, betrachtete Maxwell die Erscheinungen des Elektromagnetismus rein theoretisch. 1864 gelang es ihm mit nur vier Gleichungen sämtliche Aspekte elektromagnetischer Phänomene einzufangen und die rätselhafte Naturkraft so in Mathematik zu gießen. Aus Maxwells Formeln ergab sich insbesondere, dass die Wechselwirkung von Elektrizität und Magnetismus elektromagnetische Felder erzeugen müsste. Diese Vermutung konnte Heinrich Hertz einige Jahre später experimentell bestätigen. Nun war klar: Auch das Licht war ein weiteres jener zahlreichen Gesichter der elektromagnetischen Kraft.

 

Die physikalische Grundkraft mit den 1000 Gesichtern

Heute wissen wir, dass elektromagnetische Wellen die ganze Welt durchströmen und Licht davon nur der winzige, für uns sichtbare Ausschnitt ist. Elektromagnetische Wellen reichen vom Niederfrequenzbereich mit Wellenlängen von bis zu 100.000 km, über Radio- und Mikrowellen weiter zu Wärmestrahlung und Lichtwellen, deren Länge sich bereits im Bereich von milliardstel Metern befinden und an die sich die noch kurzwelligeren ultravioletten Strahlen, Röntgenstrahlen, Gamma- und Höhenstrahlen anschließen. In ihren hochfrequenten Bereichen transportieren die Wellen so viel Energie, dass sie biochemische Strukturen verändern oder zerstören können. Unsere Sinnesorgane vermitteln uns aus diesem gigantischen Spektrum allerdings nur Empfindungen für Wärmestrahlen und Licht, das wir je nach Wellenlänge als rote, orangene, gelbe, grüne, blaue oder violette Farbtöne wahrnehmen.


Über 200 Jahre lang waren Newton, Rømer, Huygens, Franklin, Coulomb, Galvani, Volta, Young, Ørsted, Ampère, Ohm, Faraday, Maxwell, Hertz und zahlreiche andere dem Wesen von Blitzen, Funken, Regenbögen, zuckenden Froschschenkeln und Magneten auf der Spur gewesen. Nun war auf einmal deutlich geworden, dass all diese Erscheinungen zum Wirkungskreis eines einzigen Phänomens gehörten: Nach der Gravitation hatten die Menschen mit dem Elektromagnetismus eine zweite Grundkraft des Universums entdeckt und vermessen.

 

Die Stunde der Ingenieure

Nachdem Faradays Experimente und Maxwells Gleichungen den Weg bereitet hatten, schlug erneut die Stunde der Ingenieure. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kamen die elektrotechnischen Erfindungen Schlag auf Schlag: Thomas Alva Edison und George Westinghouse trieben mit ihren Industrieimperien die Elektrifizierung der Massen voran. Strahlendes elektrisches Licht vertrieb qualmende Kienspäne, trübe Kerzen und stinkende Petroleumlampen aus den Wohnstuben und machte in den Städten die Nacht zum Tage.


Schwarzweißfotografie um 1890: Ein junger eleganter Mann mit dunklen Haaren und Mittelscheitel und Oberlippenbart
So berühmt, dass sogar eine Automarke nach ihm benannt wurde: Nikola Tesla

Der junge serbische Ingenieur Nikola Tesla entwickelte für Westinghouse eine Technik, mit der sich Wechselstrom wirtschaftlich über große Distanzen transportieren ließ. Zudem erfand er den ersten Radiosender und die erste Fernsteuerung. 1901 schließlich gelang dem italienischen Radiopionier Guglielmo Marconi die erste transatlantische Funkübertragung.

 

Die Entdeckung des Elektrons

Zwar wusste man ihn nun zu nutzen, doch seine Geheimnisse hatte der Elektromagnetismus am Ende des 19. Jahrhunderts noch immer nicht vollständig preisgegeben. Seit Franklin war man der Frage, was da eigentlich durch die Leitungen floss, keinen Schritt nähergekommen. Der Durchbruch kam erst 1897, als Joseph John Thomson das Elektron entdeckte und in ihm den geheimnisvollen Träger der bewegten elektrischen Ladung erkannte: Strom war nichts anderes als die gerichtete Bewegung von Elektronen!


Thomson hatte damit aber auch die jahrtausendealte Idee eines einteiligen Atoms zerstört. Atome waren nicht unteilbar, sondern Systeme, die offenbar aus zwei Bauteilen, einem positiv geladenen Atomkern und den negativ geladenen Elektronen bestanden, wobei die Elektronen sich vom Kern lösen konnten und die elektrische Neutralität des Atoms damit aufhoben. Thomson entwickelte aus dieser Erkenntnis ein neues Atommodell, bei dem die Elektronen in die Masse des Atomkerns eingebettet sind, wie Rosinen in einem Milchbrötchenteig.

 

Ein kosmische Atommodell

Der Rosinenbrötchenidee war nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Um das Jahr 1910 kamen der ehemalige Thomson-Schüler Ernest Rutherford und seine beiden Assistenten Hans Geiger und Ernest Marsden auf die originelle Idee, eine hauchdünne, nur etwa 0,004 mm starke Goldfolie mit Heliumkernen zu beschießen. Die Folie war so dünn, dass weniger als 1.000 Atome hintereinanderlagen. Zur großen Überraschung der drei Forscher gingen fast alle Teilchen einfach durch die Folie hindurch, so, als ob sie gar nicht da wäre. Manche Heliumkerne wurden bei dem Foliendurchgang geringfügig abgelenkt, einige wenige prallten hingegen zurück wie ein Tennisball von einer Wand. Die Ergebnisse ließen nur einen Schluss zu: Im Zentrum des Goldatoms gab es eine extrem dichte Zusammenballung von Masse.


Eine neuseeländische 100 Dollar Note in Lila und Pink mit dem Konterfei von Rutherford
Immerhin noch so berühmt, dass er es auf den neuseeländischen 100-Dollarschein geschafft hat: Ernest Rutherford

Sie ließ bei einem Treffer die leichteren Heliumatome abprallen oder verfälschte ihre Bahn. Da die allermeisten Heliumprojektile jedoch in keiner Weise beeinflusst wurden, war die schier unglaubliche Schlussfolgerung, dass das Atom fast ausschließlich aus „Nichts“ besteht. In Rutherfords neuem Modell war es ein gigantischer leerer Raum, in dem fast die gesamte Masse auf den positiv geladenen Kern konzentriert war, während die sehr leichten, negativ geladenen Elektronen den Kern auf festgelegten Bahnen in sehr großen Abständen umkreisten. Die kosmische Ordnung des Planetensystems schien sich hier tatsächlich im winzigen Maßstab widerzuspiegeln.


Schematische Grafik: Ein roter Ball in der Mitte mit Plus-Symbol wird von kleinen grünen Bällen mit Minus-Symbol umlaufen
Kosmische Ordnung im Kleinen? Rutherfords Atommodell

Mit dem neuen Atommodell und der vollständigen Beschreibung des Elektromagnetismus glaubte man Anfang des 20. Jahrhunderts ein geschlossenes physikalisches Weltbild in den Händen zu halten: Was auch immer in der Natur geschah – ganz gleich ob ein Apfel zu Boden fiel, ein Blitz am Himmel zuckte, ein Mond seinen Planeten umkreiste, ein Lichtstrahl von einem Spiegel reflektiert wurde oder ein Elektron um einen Atomkern zog – alles folgte einer überschaubaren Zahl relativ einfacher Gesetze, einer klaren Ordnung, die sich mathematisch beschreiben ließ. Auf geradezu wundersame Weise hatten sich alle Entdeckungen der letzten 200 Jahre wie von selbst in das Regelwerk der Newtonschen Mechanik eingefügt. Konnte es einen besseren Beweis für die Richtigkeit eines Theoriegebäudes geben? Die deterministische Weltsicht der klassischen Physik war auf ihrem Höhepunkt.


Ein neues Jahrhundert war angebrochen. Es sollte das Jahrhundert des Atoms werden. Und alle hart erkämpften Gewissheiten würden sich schon bald in Luft auflösen...

 

 

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