Die Entstehung der Sonne
Eine dieser Galaxien nennen wir heute die Milchstraße, eine in jeder Beziehung unauffällige, spiralförmige Ansammlung von lediglich 200 Milliarden Sternen und einem überschaubaren Durchmesser von 100.000 Lichtjahren. In einem ihrer Spiralarme, 30.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt, entsteht vor etwa 4,6 Milliarden Jahren ein neuer Stern. In der Buchhaltung des Universums ist dieser Stern ein Nichts. Eine Sonne der dritten Generation, geboren aus Sternenstaub und mit nur 700.000 Kilometern Durchmesser viel kleiner als ihre Ahnen. Das nukleare Feuer, das sich in ihr entzündet, beginnt Wasserstoff zu Helium zu verschmelzen. Aufgrund seiner geringen Gewichtskraft wird der kosmische Reaktor bei einer Oberflächentemperatur von lediglich 5.500 Grad Celsius zehn Milliarden Jahre verlässlich und konstant brennen.
Der Ursprung des Planetensystems
Um den jungen Himmelskörper wirbelt eine flache Rotationsscheibe aus den Trümmern vergangener Supernovae-Explosionen. Die Zentripetalkraft bewahrt sie vor dem Sturz in das Gravitationszentrum. Kleine Verdichtungen entstehen; deren Schwerkraft zieht weitere Staubteilchen an und formt sie zu massiven, kugeligen Zusammenballungen. Durch ihren gemeinsamen Ursprung haben sie alle dieselbe Richtung und Achsrotation. Während sich am Rand riesige Gaskugeln zusammenballen, verdichten sich in Sonnennähe die schweren Elemente zu vier kleinen Gesteinsbrocken. Ein Planetensystem ist entstanden. Wie Galaxien und Sonnen ist auch dieses System eine winzige, durch die Gravitation geschaffene Insel der Ordnung in einem immer grösser werdenden Meer aus Entropie.
Eine glückliche Katastrophe schafft einen neuen Planeten
Der Größte unter den kleinen Gesteinsplaneten zieht seine Kreise 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Fünfzig oder sechzig Millionen Jahre nach Beginn des Sonnenfeuers wird der junge Himmelskörper um ein Haar wieder ausgelöscht: Theia, ein gigantischer Gesteinsbrocken, kollidiert mit der Ur-Erde. Theia wird dabei zertrümmert, die Erde aber überlebt, wenn auch mit schweren Blessuren, den wuchtigen Impuls. Innerhalb weniger tausend Jahre schafft die Gravitation aus den Trümmerstücken der Kollision den Mond. (Diese Kollisionsthese gilt heute als die wahrscheinlichste Erklärung für die Mondentstehung.) Nur wenige zehntausend Kilometer trennen die beiden Himmelskörper. Aus dem kosmischen Unfall ist eine Partnerschaft entstanden, die sich für die neue Erde als außerordentlicher Glücksfall erweisen wird: Tanzte sie vor der Kollision noch wie ein instabiler Kreisel um ihre Rotationsachse, beginnt sich die Drehbewegung der Erde nun unter dem Einfluss der Mond-Gravitation zu stabilisieren.
Theias Peitschenhieb hat die Erdrotation beschleunigt: Ein Erdentag geht bereits nach sechs Stunden zu Ende.
Der junge Planet ist ein ausgesprochen unwirtlicher Ort. Der Sonnenwind, ein hochenergetischer Strom aus Protonen, Neutronen und Alphateilchen, prasselt ungehindert auf die Erde nieder und verhindert die Bildung einer Gashülle. Unter dem permanenten Bombardement kosmischer Gesteinsbrocken hat sich die Oberfläche des Planeten verflüssigt. Auch in seinem Inneren rumort es gewaltig: Druck und radioaktiver Zerfall haben eine zähflüssige Masse erzeugt, in der sich nun die Elemente nach Gewicht zu sortieren beginnen. Schwere Metalle wie Eisen und Nickel sinken in Richtung des Erdmittelpunkts und formen den Erdkern, während die leichteren Elemente den Erdmantel bilden. Ein gewaltiger Druck sorgt dafür, dass der innere Teil des Erdkerns trotz extremer Temperaturen fest bleibt. Im äußeren, flüssigen Teil des Kerns stellen mächtige Konvektionsströme den thermischen Ausgleich zwischen innerem Kern und Erdmantel sicher. Heiße Eisenmassen steigen nach oben, kältere sinken nach unten. Wie ein Dynamo erzeugt die Bewegung der kreisenden geladenen Atome einen elektrischen Strom und erschafft ein dichtes, erdumspannendes Magnetfeld. Es wird von nun an wie ein Schutzschild die Oberfläche des Planeten vor der zerstörerischen Kraft des Sonnenwinds bewahren.
Atmosphäre
500 Millionen Jahre nach Geburt der Erde beginnt sich auf ihrer Oberfläche eine dünne Kruste auszubilden. An keiner Stelle wird sie mehr als 40 Kilometer tief werden. Die Oxide leichter Metalle, Silizium, Aluminium und Magnesium, schaffen schroffe Basalt- und Granitformationen. Zahlreiche Vulkane wirken als Druckausgleichsventile für den darunter schwimmenden heißen Erdmantel. Ihre Krater speien große Mengen an Stickstoff, Methan, Ammoniak, Schwefeldioxid, Kohlendioxid und Wasserdampf aus, die zuvor im Gestein eingeschlossen waren. Durch den Meteoritenbeschuss ist die Masse der Erde soweit angewachsen, dass ihre Gravitation das ausgeschwitzte Gasgemisch nun auch festzuhalten vermag: Eine erste dauerhafte Atmosphäre umhüllt den Planeten. Wasserdampf steigt empor, erkaltet und es beginnt zum ersten Mal zu regnen. Beim Aufprall auf die noch immer heiße Erdkruste verdampft das Wasser sofort. Dabei nimmt es einen kleinen Teil der Wärmeenergie mit in die Atmosphäre, wo es erneut kondensiert und wieder herabregnet. Die Sintflut dauert viele zehntausend Jahre. Doch eines Tages hat sich die Oberfläche soweit abgekühlt, dass das Wasser am Boden bleibt. Nach und nach entstehen die Ur-Ozeane. Zahlreiche Eismeteoriten bringen weiteres Wasser. 1,4 Milliarden Kubikkilometer werden sich so mit der Zeit davon auf der Erdoberfläche ansammeln.
Mit der Atmosphäre entsteht auch das Wetter. Thermische Strömungen treiben Wolken vor sich her, die sich über Land niederschlagen, Seen und Flüsse bilden und wieder zurück in die Meere strömen. Der Wasserkreislauf hat sich in Gang gesetzt. Winde und Meeresströmungen bewirken einen permanenten Temperaturausgleich. Tagsüber speichern Atmosphäre und Ozeane Wärme, die sie nachts wieder abgeben, so dass auch auf der Nachtseite der Erde die Temperaturen moderat bleiben. Unterdessen beginnen sich die durch die Gravitation des Mondes erzeugten Gezeiten wie ein Bremssystem auf die Erdrotation auszuwirken: Die Drehgeschwindigkeit des Planeten verringert sich, die Erdentage werden langsam länger.
Um den Impuls des Gesamtsystems zu erhalten, muss sich der Mond mit schwindender Erd-Rotationsenergie zunehmend von seinem Planeten entfernen. (Die Impulserhaltung bewirkt, dass sich heute der Mond jedes Jahr knapp 4 cm von der Erde entfernt.) Der zunehmende Abstand des Trabanten beruhigt die Urmeere und das Wechselspiel der Kräfte führt zu einer gebundenen Rotation des Mondes. Er dreht sich nun während eines Erdumlaufs genau einmal um seine eigene Achse und wendet uns daher seitdem stets die gleiche Seite zu.
Der Elektromagnetismus übernimmt die Regie
Vier Milliarden Jahre vor unserer Zeit ist der Verdichtungsprozess der Erde abgeschlossen; ihr Durchmesser beträgt nun knapp 13.000 Kilometer. Die Rotationsgeschwindigkeit hat sich weiter verringert, ein Erdentag dauert bereits 14 Stunden. Im Vergleich zu ihren Schwesterplaneten, zeichnet sich die Erde durch eine Reihe von Besonderheiten aus: Ein ungewöhnlich großer Mond stabilisiert ihre Rotationsachse; ihre Oberfläche birgt einen gigantischen Wasservorrat; ein starkes Magnetfeld hält die Sonnenwinde fern, während eine dichte Atmosphäre die Wärme des Zentralsterns speichert und die meisten Meteoriten nun vor dem Aufschlag verglühen lässt.
Hunderte von Jahrmillionen hat vor allem die Gravitation das Schicksal der Erde bestimmt. Von nun an wird die vielgesichtige Kraft des Elektromagnetismus die Regie übernehmen und eine chemische Evolution in Gang setzen. Die Voraussetzungen könnten besser nicht sein: Moderate, konstante Temperaturen und Unmengen von Wasser, in dem zahllose Sauerstoff-, Stickstoff-, Phosphor- Schwefel- und Kohlenstoffatome gelöst sind. Schwache Bindungen entstehen und lösen sich wieder, nur um sogleich eine andere Konstellation auszuprobieren. Das unentwegte Experimentieren lässt auf der Basis von Kohlenstoffketten erste organische Riesenmoleküle von bislang unbekannter Komplexität entstehen. Aus Monosacchariden, Aminosäuren, Nukleotiden und Fettsäuren formen sich nach und nach komplexe Zucker, Proteine, Lipide und Polynukleotide. Auch sie sind Kinder des Urknalls…
Wer mehr wissen will:
v. Ditfurth Hoimar, (1972): Im Anfang war der Wasserstoff. Hoffmann und Campe.
[i] Der Impulserhaltungseffekt lässt sich am einfachsten bei den Pirouetten der Eiskunstläufer beobachten: Wenn sie ihre Arme ausbreiten, verringert sich ihre Rotationsgeschwindigkeit. Die Impulserhaltung bewirkt die langsame stetige Entfernung des Mondes von der Erde.
Comments