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Ein Sprint durch das Mittelalter: Chaos, Klöster, Kontakte


Europa ist in Bewegung

Mit dem Fall des Weströmischen Reiches geht die Antike zu Ende. Doch ihr Erbe – griechisches Abstraktionsvermögen, römischer Pragmatismus, Kalender- und Schriftsysteme, ästhetische Normen, Organisation des Militärwesens, auf Meritokratie und Interessenausgleich basierende Gesellschaftsordnungen, Rechtsverständnis, Individualisierung des Geistes, Dezentralisierung der Macht und nicht zuletzt das Christentum – haben hier ihren Ursprung, der Europa weiterhin prägen und eine Kontinuität begründen wird, die bis heute nicht abgerissen ist.

 

Die Ursachen der Völkerwanderung, die im 5. Jahrhundert das Schicksal des überdehnten und von inneren Konflikten zerrissenen weströmischen Hegemons besiegeln, sind ungewiss. Vielleicht ist es die stark wachsende Bevölkerung im nördlichen Europa, vielleicht sich mehrende Hunneneinfälle aus Zentralasien, die die germanischen Stämme aus ihrem Siedlungsraum verdrängen, vielleicht Missernten infolge eines sich abkühlenden Klimas, das ab dem Jahr 300 die lange antike Warmzeit beendet.


Eine Karte Europas und des Mittelmeerraums, die Bewegung der Völker werden durch farbige Pfeile markiert
Bewegungen der Völkerwanderung

Halb Europa ist auf den Beinen. Die zahlreichen kleinen germanischen Stämme schließen sich zu Großverbänden zusammen. Teile der entlang von Main und Rhein beheimateten Franken ziehen in den galloromanischen Westen und errichten dort Ende des 5. Jahrhundert ein neues Reich, das bis heute nach ihnen benannt ist. Angehörige der in Dänemark und Norddeutschland sitzenden Stämme der Angeln, Sachsen und Jüten siedeln sich im Süden der britischen Hauptinsel an – hier geben die Angeln dem neuen Territorium den Namen. Die ursprünglich östlich der Oder sitzenden Vandalen gelangen über Gallien und Spanien nach Nordafrika, wo sie sich auf dem Gebiet des ehemaligen Karthagischen Reiches niederlassen. Die Goten, wahrscheinlich ursprünglich an der nördlichen Weichsel beheimatet, besiedeln bereits seit dem 2. Jahrhundert den Raum nördlich des Schwarzen Meeres, wo ihnen die Römer um 270 die Provinz Dakien – im Wesentlichen das heutige Rumänien – überlassen müssen. Ende des 3. Jahrhunderts teilt sich der Stamm.



Eine mit roten Edelsteinen besetzte Fibel in Form eines Adlers
Westgotische Adlerfibel

Die Westgoten ziehen zwischen 376 und 418 in einem langen Marsch, der sie durch Griechenland und ganz Italien führt, nach Aquitanien. Anfang des 6. Jahrhunderts werden sie von dort durch die vorrückenden Franken vertrieben; sie weichen nach Süden aus und errichten ein neues Reich auf der iberischen Halbinsel. Ihre ostgotischen Vettern befreien 489 im Auftrag des byzantinischen Kaisers Italien wieder von der Herrschaft der ehemals in römischen Diensten stehenden germanischen Heerführer – Odoaker wird dabei durch den Ostgotenkönig Theoderich eigenhändig ermordet. Nach ihrem Sieg eignen sich die Ostgoten Norditalien allerdings erst einmal selbst an. Zwar gelingt es den Byzantinern kurzzeitig noch einmal, die Gotenherrschaft zu beenden, doch schon bald müssen sie den von der unteren Elbe stammenden Langobarden weichen, die im 6. Jahrhundert ihr eigenes Königreich auf der Halbinsel errichten. Die mittlerweile fast völlig entvölkerten Gebiete zwischen Elbe und Oder werden in dieser Zeit nach und nach von slavischen Stämmen besiedelt.


Neben den Römern gehören insbesondere die Kelten zu den Verlierern des Ansturms aus dem Norden. Ursprünglich in Süddeutschland angesiedelt, hatten sie sich seit 800 v. Chr. vor allem nach Westeuropa ausgebreitet, wo sie zunächst unter römische und nun unter germanische Herrschaft geraten. Dauerhaft überleben kann die keltische Sprache und Kultur schließlich nur am äußersten nordwestlichen Rand des Kontinents.


Die germanischen Eindringlinge bilden in den ehemals römischen Siedlungsgebieten eine verhältnismäßig kleine Oberschicht, die sich mit der Zeit gezwungen sieht, aus politischem Kalkül die christliche Religion der Bevölkerungsmehrheit zu übernehmen. Die Assimilation beginnt mit dem Frankenkönig Chlodwig I aus der Dynastie der Merowinger, der sich um 498 taufen lässt. Im südlichen und westlichen Europa vermischen sich die germanischen Eroberer nach und nach mit der römisch-keltischen Bevölkerung. Einflüsse aus germanischer, keltischer, romanischer Lebensweise und christlicher Religion bilden die Grundlage der späteren englischen, deutschen, französischen, spanischen, portugiesischen und italienischen Kulturen. Während sich in England germanische Dialekte als neue Volkssprache durchsetzen, entstehen in Frankreich, Spanien, Portugal und Italien aus den lokalen Varianten des Lateinischen unter Aufnahme zahlreicher germanischer Lehnwörter die Vorläufer der heutigen romanischen Landessprachen.

 

Aufstieg des Islams

Zur gleichen Zeit entsteht auch im Nahen Osten eine neue Zivilisation, die die letzten Reste der einstigen kulturellen Einheit des Mittelmeerraums hinwegfegen wird. Ihr Begründer ist der Prophet Mohammed, der um das Jahr 610 auf der arabischen Halbinsel in Erscheinung tritt. Er vereint die arabischen Stämme und verkündet den Islam, eine monotheistische Buchreligion, die sich insbesondere aus jüdischen und christlichen Wurzeln speist. Bereits 20 Jahre nach Mohammeds Tod 632, haben die Muslime den gesamten Nahen Osten erobert; in den folgenden Jahrzehnten unterwerfen sie ganz Nordafrika und gelangen von dort Anfang des 8. Jahrhunderts nach Spanien, wo sie die Herrschaft der Westgoten beenden. Am Ende dieses bemerkenswerten Siegeszugs ist rund die Hälfte aller Christen auf dem ehemaligen Gebiet des römischen Reiches zu Muslimen geworden.


Historisches Gemälde arabischer Reiter mit Turbanen und Lanzen
Rasche Eroberer: arabische Reiter

Mit dem Islam ist die letzte der fünf großen Weltreligionen entstanden. Östlich des Hindukusch herrschen „die Bekenntnisse des ewigen Weltgesetzes“ Hinduismus, Buddhismus, sowie Jainismus und Taoismus. Sie sind geprägt von der Vorstellung eines ewigen Wechsels von Werden und Vergehen. Westlich davon regieren Judentum, Christentum und Islam die eurasischen Gesellschaften. Bei ihnen steht eine „geschichtliche Gottesoffenbarung“ im Mittelpunkt, eine lineare Weltsicht, bei der die menschliche Existenz vom Wirken eines allmächtigen, persönlichen Gottes abhängt, der die Menschheit einer endgültigen Bestimmung zuführt. Jede der drei abrahamitischen Religionen erhebt dabei für sich den Anspruch, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein.

 

Das Reich der Franken und die Entstehung der europäischen Ständegesellschaft

732 schlägt ein Frankenheer unter Karl Martell die Araber bei Poitiers und beendet damit alle weiteren Vorstöße der Mohammedaner im westlichen Europa. Unter der neuen Dynastie der Karolinger, ursprünglich lediglich Verwaltungsexperten der Merowinger, gewinnt das Frankenreich weiter an Macht und Einfluss. Karl Martells Enkel, Karl der Große, erobert 774 das Gebiet der Langobarden und unterwirft in einem langen und brutalen Krieg die noch heidnischen Sachsen und erzwingt deren Christianisierung. Die Franken haben damit das erste europäische Großreich nach den Römern erschaffen. Am Weihnachtstag des Jahres 800 wird Karl durch den Papst in Rom zum Kaiser gekrönt. Mit diesem Titel knüpft der Herrscher bewusst an die Tradition der antiken Cäsaren an. Für Byzanz, das sich als einzig legitimer Wahrer des römischen Erbes sieht, eine Provokation. An seinem Höhepunkt reicht Karls Frankenimperium von Nordspanien bis an die Oder und von Rom bis nach Friesland. Doch schon 843, nur 29 Jahre nach Karls Tod, zerfällt das Reich in drei Teile. Aus dem westlichen Gebiet wird später Frankreich, aus dem östlichen Deutschland hervorgehen.


Buntes Renaissancegebilde des Kaisers mit langem Bart, Krone und Zepter
Dürfte wohl anders ausgesehen haben: Karl der Große

Ende des 9. Jahrhunderts schwindet die Macht der ostfränkischen Könige zusehends; der Hochadel der anderen Großstämme – Sachsen, Bayern, Schwaben – gewinnt an Einfluss. Nach langen Machtkämpfen kommen die Stammesfürsten überein, ihren König künftig nicht mehr durch Erbfolge, sondern durch Wahl zu bestimmen, ein in Europa einzigartiges Verfahren. Die Krönung des Sachsenherzogs Heinrich I zum König im Jahre 919 ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer Deutschen Nation. Seinem Nachfolger Otto I gelingt es 955 einen massiven Einfall der Ungarn abzuwehren. Die adligen Panzerreiter, die ihm zum Sieg verhelfen, steigen zu einer neuen privilegierten Klasse auf. In den unsicheren Zeiten müssen immer mehr freie Bauern ihr Land verkaufen und werden zu Hörigen oder Leibeigenen des neuen Ritterstands, der dafür im Gegenzug die Sicherheit seiner Untergebenen gewährleisten soll. Damit entsteht die feudalistische Ständegesellschaft. Ökonomisch bedeutet der Feudalismus meist einen Rückschritt. Das Geldsystem verfällt und weicht in weiten Teilen Europas einer Naturalwirtschaft. Um das Jahr 1000 liegt das Bruttoinlandsprodukt in Westeuropa etwa 10% unter dem Niveau der Zeitenwende. Immer noch leben auf der ganzen Welt nur rund 300 Millionen Menschen. Von den vier entwickelten Ökonomien – China, Indien, vorderer Orient und Europa – ist Europa, der eurasische Hinterhof, die schwächste Wirtschaftszone.


An der Spitze der europäischen Gesellschaftsordnungen steht der König. Insbesondere die deutschen Monarchen müssen ihre Autorität permanent gegen die zweite Ebene, die Herzöge, verteidigen. Da die Strahlkraft des alten Römischen Reiches im kollektiven Gedächtnis der Europäer noch immer ungebrochen ist, verheißt der Kaisertitel in der Auseinandersetzung mit den Stammesfürsten eine Stärkung der eigenen Position. Seit Otto I werden daher alle deutschen Könige versuchen, mithilfe päpstlichen Beistands auch die Kaiserwürde zu erlangen. Der deutsche Kaiser wird damit Oberhaupt jenes merkwürdigen Konstrukts „Heiliges Römisches Reich“, das später den Zusatz „Deutscher Nation“ erhalten und formal bis 1806 bestehen wird.

 

Invasoren

Nicht nur Araber und Ungarn bedrohen die neue monarchische Ordnung in Europa. Seit dem Jahr 800 überfallen die skandinavischen Nordmänner die Küsten und stoßen mit ihren Schiffen bis nach Paris, ins Rheinland, ins Schwarze Meer und tief in die von Slawen bewohnten Gebiete Osteuropas vor. Am Ende des 9. Jahrhunderts lassen sich die Skandinavier in England nieder, kurz darauf siedeln sie, mit Billigung des westfränkischen Königs, auch im Nordwesten Frankreichs. Ihr dortiges Lehen, die Normandie, wird 1066 für ihren Herzog zum Sprungbrett für die Unterwerfung Englands: Aus „Wilhelm der Bastard“ wird „Wilhelm der Eroberer“. Die normannischen Invasoren, die erst kurz zuvor die westfränkische Landessprache übernommen haben, bringen den Einfluss des Französischen auf die Britischen Inseln.


Ein Wandteppich mit einfachen Stickereien um 1070 die normannische Krieger zu Pferde und englische Fußsoldaten zeigen
Die Normannen erobern England - Ausschnitt aus dem Teppich von Bayeux

Auch bei der Entstehung Russlands spielen skandinavische Invasoren eine Rolle. Ab dem Jahr 840 entsteht aus Wikinger-Siedlern und Slawen unter Aufnahme wichtiger Elemente der byzantinischen Kultur die Kiewer Rus. 200 Jahre später ist daraus ein Großreich entstanden, das von Finnland bis an das Schwarze Meer reicht.

 

Wer bestimmt: Kirche oder Kaiser?

Seit der Taufe Chlodwigs hat sich das römische Christentum stetig nach Norden und Osten ausgebreitet, in Westeuropa hauptsächlich durch britische Mönche, in Osteuropa geht die Mission von Byzanz aus. Zwischen 1000 und 1200 werden Polen, Skandinavien und das Baltikum christianisiert. In diesem Zeitraum verdoppelt sich die Anzahl der Klöster in Europa auf annähernd 22.000. Die Monasterien sind die Zentren des geistigen Lebens. Während die Monarchen oftmals des Lesens und Schreibens kaum mächtig sind, wird hier die lateinische und griechische Sprache gepflegt, werden Bücher von Hand kopiert und die Platonische Philosophie überliefert. Da die Bistümer nicht nur über religiöse Autorität, sondern auch über ausgedehnte Ländereien verfügen, sind sie ein bedeutsamer Machtfaktor. Die von den Klöstern ausgehende Dreifelderwirtschaft, steigert ab 1100 die landwirtschaftliche Produktivität merklich und legt damit die Grundlage für ein anhaltendes Bevölkerungswachstum. Land wird nun zunehmend teurer, während sich Arbeit verbilligt.

Zwischen der römischen Kirche im Westen und den orthodoxen Glaubensbrüdern im griechisch-byzantinisch geprägten Osten Europas ist mit der Zeit eine nicht zu übersehende politische, kulturelle und religiöse Entfremdung eingetreten. 1054 kommt es zum großen Schisma: Der Papst und der Patriarch von Konstantinopel exkommunizieren sich gegenseitig. Die Kirche ist nun fortan in einen katholisch-westeuropäischen und einen orthodox-osteuropäischen Teil gespalten.


Spannungen gibt es aber auch zwischen der katholischen Kirche und der weltlichen Macht. 1076 entflammt der Investiturstreit, die Frage, ob dem deutschen Kaiser oder dem Papst das Recht zukommt, Bischöfe zu ernennen und damit jeweils die eigenen Gefolgsleute platzieren zu können. In dem jahrzehntelangen Konflikt setzt sich schließlich die Kirche durch und bewirkt damit eine weitere erhebliche Schwächung des deutschen Kaisertums.

 

Die Kreuzzüge und ihre Folgen

Als bald darauf aus Zentralasien stammende muslimische Turkvölker Anatolien, Palästina und damit auch die Heiligen Stätten in Jerusalem unter ihre Kontrolle bringen, haben Ost- und Westkirche und europäischer Adel wieder ein gemeinsames Ziel. Der oströmische Kaiser Alexios I bittet Papst Urban II um Hilfe bei der Abwehr der Eindringlinge. Dass christliche Pilger und Bewohner von Palästina von den Türken drangsaliert werden, ist dabei nur vordergründiger Anlass: Die Invasoren haben sich als neuer Machtfaktor im östlichen Mittelmeer etabliert und bedrohen den durch das Byzantinische Reich gesicherten Zugang nach Europa. Dem Papst gelingt es 1096 eine Streitmacht von wohl über 100.000 Kriegern, bestehend aus italienischen, französischen und deutschen Rittern und deren Gefolge, zu mobilisieren.


Der Erste Kreuzzug ist der Auftakt zu einer Reihe als „Heilige Kriege“ verbrämten Auseinandersetzungen zwischen der christlichen und der muslimischen Welt. Doch die Konfrontation befördert auch einen kulturellen Austausch. Das Wissen islamischer Gelehrter zwischen Granada und Isfahan ist in Bereichen wie Mathematik, Medizin, Astronomie oder Bewässerungstechnik dem des Westens weit voraus. Nicht zuletzt gelangen durch den Kontakt mit der islamischen Kultur auch die vergessenen Schriften des Aristoteles wieder nach Europa. Als es Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert gelingt, die Lehre des griechischen Philosophen mit der christlichen Theologie zu versöhnen, stellt er damit eine der zentralen Weichen, die das Abendland in Richtung Neuzeit führen wird.

 

Vorboten einer neuen Zeit

Zu Thomas‘ Lebzeiten entwickeln sich die norditalienischen Städte zu wohlhabenden und mächtigen Handelszentren. Genua, Mailand, Florenz und insbesondere Venedig unterhalten sowohl mit Konstantinopel als auch mit dem Nahen Osten enge Beziehungen.[i] Mit Seide, Gewürzen und anderen Luxuswaren gelangt auch das indische Zahlensystem nach Europa und beflügelt das aufblühende Kreditwesen. Die florentinische Familie Bardi gründet 1250 eine Bank, deren Filialnetz 100 Jahre später von Brügge bis Jerusalem reichen wird. Der Begriff der „Rentabilität“ setzt sich als neue Denkkategorie in den Köpfen europäischer Kaufleute fest.


Während Florenz und Venedig Weltpolitik betreiben, leben selbst in den größten deutschen Städten kaum mehr als einige tausend Menschen. Doch nach und nach entsteht auch nördlich der Alpen ein wohlhabendes und selbstbewusstes Bürgertum. Das sichtbarste Zeichen des städtischen Stolzes sind die mächtigen Kathedralen, die nun überall in Westeuropa in den Himmel wachsen. Die Gotik löst den noch auf römischer Architektur gründenden erdigen Baustil der Romanik ab und bringt Licht in die Gotteshäuser. Ausweis einer neuen Zeit sind auch die Universitäten. Nachdem Bologna bereits 1088 den Anfang machte, entstehen nun zwischen Lissabon und Krakau dutzende neue Hochschulen. Der Bildungskanon knüpft an die Ideale der Antike an, der Unterricht erfolgt durchwegs auf Latein. Sieben „Freie Künste“ bereiten die Studenten auf das eigentliche Studium vor: Das Trivium lehrt Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Das Quadrivium die Arithmetik als Theorie der Zahlen und die Musik als deren Anwendung, sowie die Geometrie als Theorie des Raums und der Astronomie als deren praktischer Gebrauch. Für das Hauptstudium stehen drei Fakultäten zur Wahl: Die Medizin klärt das Verhältnis von Mensch zu Körper; die Jurisprudenz das von Mensch zu Mensch; die Theologie das von Mensch zu Gott.


Zeitgenössische gotische Stadtansicht, im Vordergrund ein Kanal
Venedig im Jahr 1338: Vorbote einer neuen Zeit

 

Das größte Reich aller Zeiten

Während Europa sich langsam, aber stetig wandelt, errichtet das kleine Reitervolk der Mongolen im 13. Jahrhundert unter seinem Anführer Dschingis Kahn und dessen Nachfolgern innerhalb kurzer Zeit das größte zusammenhängende Reich der Menschheitsgeschichte – am Ende wird es vom Südchinesischen Meer bis nach Polen reichen.

Zeitgenössisches Bild mongolischer Reiter in einer Schlacht
Reitervölker können zwar rasch große, flache Gebiete erobern aber nicht unbedingt auch lange halten

Doch das Mongolenreich ist nicht von Dauer. 1368 schütteln die Chinesen die Fremdherrschaft ab. Der Anführer der Rebellion begründet unter dem Namen Hongwu die Ming-Dynastie, die das Reich der Mitte fast 300 Jahre lang absolutistisch regieren wird.

Ende des 13. Jahrhunderts treten weite Teile der mongolischen Oberschicht zum Islam über; im Norden Indiens wird dadurch im Laufe der Zeit das Mogulreich entstehen, dessen Name auf den ethnischen Ursprung der Eroberer hinweist. Unter den Angehörigen der niederen Hindu-Kasten findet die neue Offenbarungsreligion viele Anhänger. Eine weitere Folge der mongolischen Eroberungszüge ist die Verbreitung der Pest auf dem eurasischen Kontinent. Das Reitervolk schleppt sie zunächst nach China ein; um 1350 erreicht die Seuche auch Europa, wo sie etwa jeden dritten Einwohner tötet und die Bevölkerungszahl wieder auf das Niveau des Jahres 1000 absinken lässt.

 

Das Mittelalter: eine Epoche radikaler Veränderungen

Mit dem Mittelalter geht für Europa eine Epoche tiefgreifender Veränderungen zu Ende. Eine feudalistische Gesellschaftsordnung entsteht; Wälder werden gerodet, Anbautechniken verbessert, Städte gegründet, Handelsbeziehungen geknüpft, Banken aufgebaut; Wind- und Wassermühlen verbessern die Energieversorgung; Architektur und Schiffsbau erleben revolutionäre technologische Umbrüche; die künftigen europäischen Nationalstaaten nehmen Gestalt an; die Machtzentren haben begonnen von Südosten nach Nordwesten zu wandern. All dies bereitet den Boden für den nun kommenden radikalen Wandel.

 

 

Bildnachweise



[i] Byzanz ist für die Norditaliener nicht nur Partner, sondern auch Konkurrent. So bringt die venezianische Republik während des vierten Kreuzzugs 1204 die Teilnehmer dazu, nicht wie geplant nach Ägypten zu ziehen, sondern stattdessen Konstantinopel zu plündern.

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