Im Anfang…
Mitte der 1920er Jahre hatte der amerikanische Astronom Edwin Hubble entdeckt, dass das Universum nicht nur aus der Milchstraße, sondern aus unzähligen weiteren Galaxien besteht, die sich alle mit rasender Geschwindigkeit voneinander entfernen. Die Welt war nicht, wie alle bisher geglaubt hatten, statisch, sie strebte vielmehr mit Macht auseinander. Ein katholischer Priester aus Belgien, Georges Lemaître, zog 1927 als Erster daraus einen logischen Schluss: Wenn das Universum regelrecht in alle Richtungen explodiert, kann man auf dem Zeitpfeil zurückgehen bis zu Anfang und Ausgangspunkt der Fluchtbewegung. Dies war der Moment, in dem die Welt und ihre Gesetze entstanden sein mussten.
Geburt der Physik
Was vor diesem Anfang war, werden wir nie wissen. Denn Materie, Zeit und Raum, in denen die uns bekannten physikalischen Kräfte ihre Wirkung entfalten konnten und die unser Universum bestimmen, gab es noch nicht. Unsere Welt entstand erst im Moment des Urknalls. Dass die katholische Kirche die Urknalltheorie bereits 1951 anerkannte – die herrschende physikalische Meinung schloss sich dieser Auffassung erst 1964 an – war nur konsequent: Aus ihrer Sicht ließ sich der Big Bang als singulärer, göttlicher Schöpfungsakt deuten; religiöse und materialistische Weltbilder konnten so widerspruchsfrei miteinander verbunden werden.
Nach unserem heutigen Wissen liegt dieses Ursprungsereignis 13,8 Milliarden Jahre zurück. In einem unvorstellbar kurzen Zeitraum entstanden die vier Grundkräfte der Physik und begannen sofort miteinander in Wechselwirkung zu treten. Elementarteilchen entstanden, danach Wasserstoff- und Heliumatome und schließlich Sonnen. Die Sterne erbrüteten nach und nach immer schwerere Elemente. Als sie am Ende ihrer Brenndauer in gigantischen Supernovae vergingen, schleuderten sie ihre Kinder in die Weiten des Raums.
Geburt der Chemie
Unter dem Einfluss der Gravitation begann der Sternenstaub eine neue Generation von Sonnen zu umkreisen und sich dabei mehr und mehr zusammenzuballen. Einer jener zahllosen Sterne, um die herum sich diese Entwicklung vollzog, ist unsere Sonne. In ihrem Gravitationsfeld ließ die Schwerkraft eine kleine Zahl von Gas- und Gesteinskugeln entstehen – ein Planetensystem war geboren! Den von der Sonne aus gesehen dritten Planeten, der sich vor 4,5 Milliarden Jahren langsam geformt hatte, bezeichnen wir heute als unsere Erde. Nachdem über hunderte von Jahrmillionen hinweg vor allem die Gravitation das Schicksal der Erde bestimmt hatte, trat nun die elektromagnetische Grundkraft in den Vordergrund und setzte eine chemische Evolution in Gang. Die Voraussetzungen, die unser kleiner Gesteinsplanet hierfür mitbrachte, hätten besser nicht sein können: Moderate, relativ konstante Temperaturen und Unmengen von Wasser, in dem zahlreiche Sauerstoff-, Stickstoff-, Phosphor- Schwefel- und vor allem Kohlenstoffatome gelöst waren. Diese Elemente konnten nun miteinander zahlreiche chemische Verbindungen eingehen.
Beginn des Evolutions-Roulettes
Aus den langkettigen organischen Verbindungen, die der Kohlenstoff mit anderen, vor allem nichtmetallischen Elementen einging, entstand vor etwa 3,8 Milliarden Jahren erstmals Leben. Bis heute wissen wir nicht, wie dies genau geschah. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber stammen die Abermillionen Spielarten des Lebendigen, die heute unseren kleinen Heimatplaneten bevölkern, von einer einzigen Urzelle ab – wir Menschen selbstverständlich eingeschlossen.
Den Mechanismus, der zu der beeindruckenden Artenvielfalt führte, hat Charles Darwin 1859 erstmals umfassend beschrieben: Fast unmerkliche Unterschiede, die unter den Angehörigen einer Art bestehen, führen über kurz oder lang zur Entstehung neuer Spezies, sofern sich die marginalen Abweichungen unter bestimmten Umwelteinflüssen als vorteilhaft erweisen. So entstanden nach und nach Kolibakterien, Kapuzinerkresse, Kakerlaken, Karpfen, Käfer, Kolibris, Kängurus und Kamele. Mit der kambrischen Explosion, die vor 450 Millionen Jahren ihren Anfang nahm, hat sich diese Entwicklung exponentiell beschleunigt. Die jüngste und vielleicht merkwürdigste Errungenschaft der Evolution ist ein nackter Affe, taxonomische Bezeichnung „Homo sapiens“, dessen einzigartige evolutionäre Strategie wir als Bewusstsein bezeichnen. Mehr dazu im nächsten Blog.
Das Universum wird sterben
Ob sich das Bewusstsein auf Dauer als überlegene Strategie etablieren wird, muss sich erst noch erweisen. Die Zukunft der Menschheit ist diesbezüglich, wie die jeder anderen Art auf der Erde, ungewiss. Fest steht lediglich, dass die Geschichte, die vor 13,8 Milliarden Jahren begann, zwar noch lange weitergehen wird, aber nach allem, was uns die Gesetze der Physik lehren, in einer fernen Zukunft auch einmal enden werden.
Die Entstehung der Welt, ihr Werdegang und ihr Schicksal sind die Themen, denen wir uns in den folgenden Blogs der Kategorie „Geschichte des Universums“, noch eingehender widmen werden.
Weiterführende Literatur:
Hawking, Stephen (1988): „Eine kurze Geschichte der Zeit“, Rowohlt
Comments