Dreißig Jahre Krieg
Zwischen 1618 und 1648 verheert der Dreißigjährige Krieg die Mitte Europas. Die Katastrophe, der in einigen Regionen Deutschlands weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung zum Opfer fällt, beginnt als Glaubenskrieg und endet als Hegemonialkonflikt, den Österreich-Spanien, Frankreich, Dänemark und Schweden auf deutschem Boden untereinander austragen. Der Griff der Habsburger nach der Macht in Europa scheitert, als das katholische Frankreich auf Betreiben des Kardinals Richelieu in der letzten Kriegsphase auf Seiten der Protestanten in den Konflikt eintritt und so den Sieg des Kaisers in Wien verhindert.

Mit dem Westfälischen Frieden 1648 trennen sich die Niederlande und die Schweiz – beide hatten sich schon seit geraumer Zeit weitgehende Autonomien erstritten – nun auch formell vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
Nach dem Krieg erblühen schon bald wieder überall in Westeuropa Kunst und Wissenschaft. Der Barock entfaltet seine Pracht. René Descartes begründet eine neue, von antiken Vorbildern unabhängige Philosophie. Seinem Dualismus von Geist und Stoff stellt Isaac Newton den Dualismus von Stoff und Naturkräften gegenüber, deren Dynamiken er mathematisch exakt beschreibt.
Der erste Monarch wird nicht in Frankreich sondern in England geköpft
Die Niederlande erleben ein goldenes Zeitalter. Der kleinen Republik, nun das reichste Land Europas, gelingt es sich auch militärisch zur See gegen den großen Handelsrivalen England zu behaupten. Frankreich steigt zur dominierenden Landmacht auf. Während der über 50-jährigen Regentschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV (1638-1715) erlebt der Absolutismus in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Überall kopiert der europäische Adel Architektur und Habitus des französischen Hofes.

Nur England nimmt einen anderen Weg: Die Bestrebungen Karl I (1600-1649), es den französischen Königen gleichzutun, scheitern grausam: Das Parlament lässt ihn für seine absolutistischen Pläne hinrichten, die Monarchie wird vorübergehend abgeschafft. Die „Glorious Revolution“ von 1688 sichert dem Parlament dauerhaft wesentliche Teilhabe an der Macht. Wie zuvor bereits in den Niederlanden, hat sich nun auch in England das aufstrebende Bürgertum maßgeblichen politischen Einfluss gesichert.
Rivalen
In Russland sucht Zar Peter der Große (1672-1725) die Annäherung an das westliche Europa und erzwingt eine radikale Modernisierung seines Landes; die Fortschritte zeigen sich, als Russland im Großen Nordischen Krieg (1700-1721) erstmals im Konzert der europäischen Großmächte mitspielt und die Vorherrschaft der Schweden im Ostseeraum beendet. Deutschland, politisch noch immer in die anachronistische Hülle des Heiligen Römischen Reiches eingekleidet, bleibt territorial und konfessionell gespalten und ist auf der europäischen Bühne weiterhin nur ein Nebendarsteller.

Das nun folgende 18. Jahrhundert ist politisch von der wachsenden Rivalität zwischen Frankreich und England geprägt. Als Schottland infolge seines gescheiterten Versuchs, in Panama eine eigene Kolonie aufzubauen, vor dem Staatsbankrott steht, nutzen die Engländer die Gunst der Stunde, übernehmen die schottischen Schulden und vereinigen sich 1707 im Gegenzug dafür mit dem nördlichen Nachbarn zum Königreich von Großbritannien. Die mächtige britische Kriegsflotte erlaubt es dem Inselreich seine Handelswege und seine koloniale Vormachtstellung in Nordamerika und Indien weiter auszubauen. Auf dem Subkontinent schlagen die Briten die portugiesischen, niederländischen und französischen Rivalen aus dem Feld und vereinbaren mit dem Mogulreich vorteilhafte Handels- und Zollbedingungen. Federführend dabei ist die britische Ostindien-Kompanie, eine Aktiengesellschaft, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und militärisch aktiv ist und die Kolonisierung Indiens zielstrebig vorantreibt.
Ein erster weltumspannender Krieg
Im Schatten des britisch-französischen Konflikts wächst eine neue europäische Großmacht heran. Preußen, ein bis dahin unbedeutendes Kurfürstentum, steigt Anfang des neuen Jahrhunderts zu einem kleinen Königreich auf. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) besiegt ein preußisch-englisches Bündnis unter Friedrich II (1712-1786) eine gewaltige Koalition aus Franzosen, Österreichern, Russen, Spaniern, Sachsen und Schweden.
Während in Europa der Krieg um die kleine Provinz Schlesien tobt, geht es in Amerika um einen halben Kontinent – der Konflikt ist in diesem Sinne der erste tatsächliche Weltkrieg.[i] Am Ende bleibt Schlesien preußisch; in Nordamerika fallen zwischen dem Golf von Mexico (ich gehe davon aus, dass er auch weiterhin so heißen wird) und Neufundland riesige französische Territorien an die Briten.

Die amerikanischen Kolonien sagen sich los
Großbritannien ist nun das mächtigste Land der Erde. Doch schon im nächsten Jahrzehnt erleidet die erste globale Supermacht der Geschichte einen heftigen Rückschlag: Dreizehn nordamerikanische Kolonien sagen sich los, weil sie ihre politischen Interessen im Mutterland nicht vertreten sehen. Im folgenden Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) gelingt es den Kolonisten die neue Freiheit erfolgreich zu verteidigen. Die Verfassung des jungen Staates ist die Erste, die grundlegende Menschenrechte festschreibt.

Die Revolution auf dem amerikanischen Kontinent wird durch ein trotziges und wachsendes Bürgertum entfacht, das in Zeiten der Aufklärung nicht mehr nur nach religiöser und ökonomischer, sondern nun auch nach politischer und intellektueller Freiheit strebt. Die Anhänger der von Locke, Montesquieu und Rousseau inspirierten Demokratiebewegung möchten selbst entscheiden, was für sie richtig ist – keine monarchistische oder klerikale Autorität soll diese Freiheit einschränken. Man ist überzeugt, sich in einem historischen Prozess zu befinden, der die Menschheit in Richtung Freiheit führt.
Frankreich erschüttert Europa
1789, rund hundert Jahre nach England und vierzehn Jahre nach den Vereinigten Staaten, wird nun auch Frankreich von einer großen demokratischen Revolution erfasst. Auch sie beginnt als Aufstand derjenigen, die die Macht nicht mehr ohne eigene Teilhabe finanzieren möchten. Doch die Französische Revolution versinkt schon bald im Blutrausch eines Tugendterrors, der sich nun nicht mehr nur gegen die herrschende Klasse richtet, sondern – beseelt von der Idee, eine gesellschaftliche Utopie verwirklichen zu können – gegen alle Andersdenkenden.

Der Rationalismus der Aufklärung wird für die radikale Fraktion der Revolutionsführer zur Obsession: Kathedralen werden im Namen einer Ersatzreligion zu „Tempeln der Vernunft“ umgeweiht. Ein neuer Kalender ersetzt Wochen durch Dekaden. Die Tage der Franzosen bestehen nun, ganz rational, aus 10 Stunden à 100 Minuten zu je 100 Sekunden. In dem neuen Weltbild haben auch subjektive Maße wie Zoll, Fuß oder Elle keine Daseinsberechtigung mehr. Der neue Standard der Vernunft entstammt der Geometrie: Der Meter ist definiert als der zehnmillionste Teil der Strecke, die vom Nordpol über Paris zum Äquator führt.
Die Napoleonischen Kriege und ihr Erbe
Die Revolutionäre schlagen sämtliche Versuche der benachbarten Mächte zurück, den Spuk in Frankreich wieder beenden zu wollen. Dies gelingt erst 1799 dem Revolutionsgeneral Napoleon Bonaparte, der mit einem Staatsstreich nach der Macht greift und sich, römischen Vorbildern nacheifernd, zunächst vom Senat zum Ersten Konsul ernennen lässt, um sich fünf Jahre später selbst die Würde eines Kaisers der Franzosen zu verleihen. Nun greift Napoleon nach der Macht in Europa. Fast elf Jahre lang werden in den Napoleonischen Kriegen der französische Kaiser und seine deutschen, polnischen und italienischen Vasallenstaaten gegen wechselnde Allianzen von Briten, Österreichern, Russen und Preußen kämpfen. Nach anfänglichen großen Erfolgen der Franzosen beenden der katastrophale Russlandfeldzug von 1812, die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und die Schlacht bei Waterloo 1815 das französische Hegemonialstreben auf dem Kontinent.[ii]

Trotz seines militärischen Scheiterns hinterlässt Napoleons Herrschaft tiefe Spuren. Der Kaiser der Franzosen ist eine Figur des Übergangs und damit auch der Widersprüche. Nach absolutistischer Manier krönt er sich selbst, verleiht deutschen Herzögen die Königswürde und nimmt das revolutionäre Dekret zur Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien zurück. Zugleich zeigt sich der gelernte Artillerieoffizier aber auch als aufgeklärter Machtmensch, der 1806 das anachronistische Heilige Römische Reich begräbt, moderne Nationalstaaten aus der Taufe hebt, effiziente Verwaltungen schafft und dem europäischen Kontinent zu einem von den Ideen der Aufklärung inspirierten Zivil- und Strafrechtssystem verhilft, das bis heute das Rechtsverständnis Europas und zahlreicher nichteuropäischer Staaten prägt.
Die europäischen Monarchien drehen das Rad noch einmal zurück
Auf dem Wiener Kongress ordnen die Siegermächte Europa neu. Den konservativen Kräften auf dem Kontinent gelingt es, das Rad der Geschichte noch einmal zurückzudrehen und die gefährlichen Forderungen nach Freiheit und Gleichheit einzudämmen; trotz Revolutionsversuchen 1832 und 1848, wird Frankreich noch ein halbes, Deutschland und Österreich noch ein ganzes Jahrhundert von Monarchen regiert werden.

Doch hinter der beschaulich-konservativen Fassade von Biedermeier und Spätromantik bereitet sich ein Epochenwandel vor: Im Takt der Dampfhammer schreiten Industrialisierung und die Entzauberung des alten Europa voran. Vorreiter ist Großbritannien, die militärische und ökonomische Weltmacht.
Wer mehr wissen will:
Kennedy, Paul (2000): „Aufstieg und Fall der großen Mächte“, Fischer.
Anmerkungen:
[i] Außerhalb Europa und Nordamerika gab es zwischen Großbritannien und Frankreich auch Kampfhandlungen in Indien, der Karibik, Afrika und auf den Philippinen.
[ii] Der Auslöser des Russlandfeldzugs war ein rein ökonomischer: Napoleon hatte den Zaren gezwungen, sich an dem als Kontinentalsperre bezeichneten Wirtschaftsboykott gegen Großbritannien zu beteiligen; da dies der russischen Wirtschaft schwer zusetzte, war Russland 1810 aus der Kontinentalsperre ausgeschert und hatte den Handel mit den Briten wieder aufgenommen.